Montag, 18. Januar 2016

Gear Review: Weder Tarp noch Tent. Das Six Moon Designs Lunar Duo. Die tragbare Tropfsteinhöhle im Praxistest:





Theorie
 

Der Traum eines jeden Leichtwanderers wird wahr: Ein Tarp, das die Praktikabilität eines Zeltes hat. Oder doch ein Zelt, das alle Vorteile eines Tarps in sich vereint? 


Weit gefehlt! Denn das Tarptent vereinigt alle Nachteile von Tarp und Tent in einem!

Welche Vor- und Nachteile bieten eigentlich Tarp und Zelt? Wollen wir doch einmal genau hinschauen.


Das Tarp ist im Vergleich zu einem Zelt extrem leicht. Es kommt mit unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten zurecht (kleine Bäumchen können auch mal unter dem Tarp stehen) und der Untergrund muss nicht eben sein. Selbst in dichten Wäldern lässt es sich irgendwie aufspannen und bietet dem erschöpften Wanderer Schutz vor Regen. Richtig aufgebaut, überlebt man darunter den stärksten Sturm.




Nachteilig ist der fehlende Rundumschutz. Weder schützt es vor Insekten noch bleibt man darunter trocken, wenn die Windrichtung dreht.


Das Zelt bietet den Rundumschutz. 
Es lässt sich nach allen Seiten dicht machen, Moskitos, Zecken und sonstiges Getier bleibt auch draußen. Das hat seinen Preis! Das Gewicht eines Zeltes ist deutlich höher als das eines Tarps.


Unter einem Tarp sammelt sich in der Regel kaum Kondens. Das Zelt ist hier anfälliger, weil es ja verhindert, dass der Wind durchbläst. Hier hilft die doppelwandige Konstruktion, bei der das Innenzelt das Kondenswasser daran hindert, in den Innenraum zu tropfen.


Bei mehrtägigem Verbleib im Zelt (wenn das Wetter keine Wanderung zulässt), wird es ganz schön feucht im Zelt. Das Kondenswasser drückt sich irgendwann durchs Moskitonetz und durchnässt alles. Nur eine gute Belüftung schafft Abhilfe, ist aber bei stürmischem Regenwetter immer ein Problem.


Das Tarp umgeht die Lüftungsproblematik, da sowieso immer für  Durchzug gesorgt wird. Hier kann die ganze Ausrüstung dann eben durch den Regen, der unter das Tarp kommt, nass werden. Dies verhindert wiederum das Zelt.


Wie man es dreht und wendet: nass wird man immer. Es gibt keine Ideallösung. Oder doch? Nun, das versuchen uns zumindest die Hersteller der ultraleichten Ausrüstung zu verkaufen bzw. aufzuschwatzen.


Wenn man doch die Leichtigkeit und die geringe Kondensation beim Tarp mit dem Rundumschutz des Zeltes kombinieren könnte, müsste da nicht die ultimative Leichtwanderherberge dabei heraus kommen?

Reines Wunschdenken! 


Besipielhaft will ich die Unvereinbarkeit der Tarp- und der Zeltvorteile mal darstellen. Gestestet haben wir das Zelt drei Wochen in Südschweden bei knapp über 30 Grad Sonnenschein und vereinzelten Gewittern und im Frühjahr in der Pfalz vier Tage bei regnerischem und kaltem Wetter (ca. 5  Grad). Das Lunar Duo haben wir in England gekauft.



Praxis





Das Six Moon Designs Lunar Duo ist für zwei Personen ausgelegt. Es ist aber bei Bedarf noch Platz für eine dritte, wenn es mal sein muss. Der Aufbau erfolgt mittels zweier Trekkingstöcke. Die Aufbauhöhe lässt sich etwas verändern, aber nicht viel.  Wenn es zu hoch aufgebaut ist, wird die Liegefläche zu klein, wird es zu tief aufgebaut, wird der Badewannenboden flacher und flacher und verschwindet schließlich gänzlich.


Im Prinzip handelt es sich bei dem Lunar Duo um ein A-Frame Tarp mit jeweils einem Vestibül an den offenen Seiten und einem Badewannenboden, der mittels Moskitonetz an das Dach genäht ist. Die Vestibüle sind sehr groß und auch ein großer Rucksack findet problemlos darin Platz. Die Vestibüle verfügen über zwei Eingänge, die je nach Windrichtung genutzt werden können und auch das ganze Vestibül kann wie eine Jalousie hochgeschoben werden.


In die Giebel des Zeltdaches werden ca. 50 cm lange gekrümmte Stäbe eingeführt, die den Dachraum stark erweitern. Man kann sich dadurch im Zelt aufrecht hinsetzten, ohne das Dach im Rücken zu haben. Eine sehr gute Idee!


Das Moskitonetz, das den Zeltboden mit dem Zeltdach verbindet, bietet so einen ca. 10 cm hohen Belüftungsschlitz für das Zelt.


Die Verarbeitung des Zeltes ist hervorragend. Aber warum sind die Nähte nicht schon ab Werk versiegelt? Warum muss ich das zu Hause machen? Wahrscheinlich um das Gewicht im Onlineshop des Herstellers nach unten zu drücken. Das Zelt wiegt 1165 Gramm, mit versiegelten Nähten wiegt es 200 Gramm mehr.


Um es gleich vorweg zu nehmen: das Lunar Duo ist ein reines Schönwetterzelt. Für den Einsatz bei Wind und Regen ist es vollkommen ungeeignet und meiner Meinung auch lebensgefährlich!




Selbst bei sommerlichen 30 Grad in Schweden bildete sich Kondens am Dach. Jedes noch so laue Windchen hat einen Teil der feuchten Pracht in unsere Gesichter und auf die Daunenschlafsäcke tropfen lassen. Bei diesen Temperaturen kann man die Schlafsäcke einfach morgens 15 Minuten in die Sonne legen und alles ist gut. Was macht man aber im Regen? Das durften wir in der Pfalz erfahren! Bei Dauerregen bildete sich nachts so viel Kondenswasser an der Zeltinnenseite, dass unsere Schlafsäcke durchnässt wurden. Die nächste Nacht verbrachten wir im Naturfreundehaus. Die Schlafsäcke durften wir dort freundlicherweise trocknen lassen.


Jetzt stell Dir mal vor, Du bist irgendwo da draußen mit dem Lunar Duo, den nächsten Ort erreichst Du erst in drei Tagen. Dein Schlafsack ist in der ersten Nacht durchnässt und in der zweiten und dritten Nacht nicht mehr zu gebrauchen. Die ganze Nacht tropft es auf Deine Ausrüstung. Lebensgefährlich, sag ich Dir! In diesem Zelt kannst Du problemlos erfrieren!

Das Kondenswasser bildet sich, weil zu wenig Luft durch das Ding zieht. Denn öffnest Du das Vestibül, damit genug Luftbewegung stattfinden kann, regnet es Dir in die Bude. Die Belüftung zwischen Obermaterial und Zeltboden ist nicht ausreichend. Eine klassische Fehlkonstruktion!


Das Verhalten bei Wind und stürmischem Wetter ist ebenfalls mangelhaft. Ein A-Frame Tarp würde mit der Breitseite in den Wind aufgebaut werden. Bei starkem Wind wird das Dach bis auf den Boden gezogen, auf der windabgewandten Seite liesse man dafür etwas mehr Luft bzw. Abstand zwischen Boden und Dach. Die im Wind liegende Seite würde man weiterhin über Abspannpunkte auf der Tarpseite so abspannen, dass die Dachplane nicht vom Wind ins Innere gedrückt wird. 




Das Lunar Duo kann nicht schief aufgebaut werden. Der Abstand zum Boden muss auf der im Wind liegenden Seite und auf der abgewandten Seite gleich hoch sein. Dadurch ist es unmöglich einen sturmsicheren Aufbau zu gewährleisten! Da  Abspannpunkte auf den Breitseiten  fehlen, drückt der Wind die im Sturm liegende Seite einfach ins Zeltinnere. Dadurch reduziert sich die Liegefläche um die Hälfte! Nutzt Du das Zelt für Dich alleine, kein Problem, aber bei der Duobelegung hast Du verloren. Alles wird nass. 

Aber selbst wenn es nicht stürmt, flattert und wackelt das Zelt und ist sehr unruhig bei Böen und leichten Winden.

Ein weiterer Nachteil der ganzen Konstruktion: Das Lunar Duo kann nur auf ebenen flächen aufgebaut werden. Liegst Du doch mal auf einer leichten Schräge, rutschst Du auf dem spiegelglatten Silnylonboden aus dem Zelt. Um das zu verhindern, musst Du viel Nahtdichter auf den Zeltinnenboden auftragen. Dadurch wird das Zelt um einiges schwerer.

Das Lunar Duo vereint alle Nachteile aus beiden Welten. Glückwunsch! 




PRO:

  •          Für ein Zelt leicht
  •          Gute Verarbeitung
  •          Viel Raum
  •          Gute Kopffreiheit

CONTRA:


  •          Für ein Tarp zu schwer
  •          Tropfsteinhöhle! Achtung Lebensgefahr!
  •          Nicht sturmtauglich, schon bei Böen wackelig und unruhig im Wind
  •          Nähte nicht dicht! Handarbeit erforderlich
  •          Boden  aalglatt



Für wen ist das Lunar Duo geeignet?


Ehrlich gesagt, für Keinen! Wer größere Wanderungen plant, benötigt auf alle Fälle etwas verlässlicheres. Na gut, für die Kinder im Garten wär’s noch was…
 

ANMERKUNG:


Die oben beschriebene Problematik betrifft meiner Meinung nach alle in dieser Art und Weise konstruierten Tarptents, egal von welchem Hersteller sie kommen.  Diese Zelte werden von den Herstellern so produziert und angeboten, weil es anscheinend eine große Nachfrage nach der eierlegenden Wollmilchsau gibt.  Die handwerkliche Verarbeitung des Lunar Duo ist wirklich gut.


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