Theorie
Der Traum eines jeden Leichtwanderers wird wahr: Ein Tarp,
das die Praktikabilität eines Zeltes hat. Oder doch ein Zelt, das alle Vorteile
eines Tarps in sich vereint?
Weit gefehlt! Denn das Tarptent vereinigt alle Nachteile von
Tarp und Tent in einem!
Welche Vor- und Nachteile bieten eigentlich Tarp und Zelt?
Wollen wir doch einmal genau hinschauen.
Das Tarp ist im Vergleich zu einem Zelt extrem leicht. Es
kommt mit unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten zurecht (kleine Bäumchen
können auch mal unter dem Tarp stehen) und der Untergrund muss nicht eben sein.
Selbst in dichten Wäldern lässt es sich irgendwie aufspannen und bietet dem
erschöpften Wanderer Schutz vor Regen. Richtig aufgebaut, überlebt man darunter
den stärksten Sturm.
Nachteilig ist der fehlende Rundumschutz. Weder schützt es
vor Insekten noch bleibt man darunter trocken, wenn die Windrichtung dreht.
Das Zelt bietet den Rundumschutz.
Es lässt sich nach allen
Seiten dicht machen, Moskitos, Zecken und sonstiges Getier bleibt auch draußen.
Das hat seinen Preis! Das Gewicht eines Zeltes ist deutlich höher als das eines
Tarps.
Unter einem Tarp sammelt sich in der Regel kaum Kondens. Das
Zelt ist hier anfälliger, weil es ja verhindert, dass der Wind durchbläst. Hier
hilft die doppelwandige Konstruktion, bei der das Innenzelt das Kondenswasser
daran hindert, in den Innenraum zu tropfen.
Bei mehrtägigem Verbleib im Zelt (wenn das Wetter keine Wanderung
zulässt), wird es ganz schön feucht im Zelt. Das Kondenswasser drückt sich
irgendwann durchs Moskitonetz und durchnässt alles. Nur eine gute Belüftung
schafft Abhilfe, ist aber bei stürmischem Regenwetter immer ein Problem.
Das Tarp umgeht die Lüftungsproblematik, da sowieso immer
für Durchzug gesorgt wird. Hier kann die
ganze Ausrüstung dann eben durch den Regen, der unter das Tarp kommt, nass
werden. Dies verhindert wiederum das Zelt.
Wie man es dreht und wendet: nass wird man immer. Es gibt
keine Ideallösung. Oder doch? Nun, das versuchen uns zumindest die Hersteller
der ultraleichten Ausrüstung zu verkaufen bzw. aufzuschwatzen.
Wenn man doch die Leichtigkeit und die geringe Kondensation
beim Tarp mit dem Rundumschutz des Zeltes kombinieren könnte, müsste da nicht
die ultimative Leichtwanderherberge dabei heraus kommen?
Reines Wunschdenken!
Besipielhaft will ich die Unvereinbarkeit der Tarp- und der
Zeltvorteile mal darstellen. Gestestet haben wir das Zelt drei Wochen in
Südschweden bei knapp über 30 Grad Sonnenschein und vereinzelten Gewittern und
im Frühjahr in der Pfalz vier Tage bei regnerischem und kaltem Wetter (ca.
5 Grad). Das Lunar Duo haben wir in England gekauft.
Praxis
Das Six Moon Designs Lunar Duo ist für zwei Personen
ausgelegt. Es ist aber bei Bedarf noch Platz für eine dritte, wenn es mal sein
muss. Der Aufbau erfolgt mittels zweier Trekkingstöcke. Die Aufbauhöhe lässt
sich etwas verändern, aber nicht viel.
Wenn es zu hoch aufgebaut ist, wird die Liegefläche zu klein, wird es zu
tief aufgebaut, wird der Badewannenboden flacher und flacher und verschwindet
schließlich gänzlich.
Im Prinzip handelt es sich bei dem Lunar Duo um ein A-Frame
Tarp mit jeweils einem Vestibül an den offenen Seiten und einem
Badewannenboden, der mittels Moskitonetz an das Dach genäht ist. Die Vestibüle
sind sehr groß und auch ein großer Rucksack findet problemlos darin Platz. Die
Vestibüle verfügen über zwei Eingänge, die je nach Windrichtung genutzt werden können und auch das ganze
Vestibül kann wie eine Jalousie hochgeschoben werden.
In die Giebel des Zeltdaches werden ca. 50 cm lange
gekrümmte Stäbe eingeführt, die den Dachraum stark erweitern. Man kann sich
dadurch im Zelt aufrecht hinsetzten, ohne das Dach im Rücken zu haben. Eine
sehr gute Idee!
Das Moskitonetz, das den Zeltboden mit dem Zeltdach
verbindet, bietet so einen ca. 10 cm hohen Belüftungsschlitz für das Zelt.
Die Verarbeitung des Zeltes ist hervorragend. Aber warum
sind die Nähte nicht schon ab Werk versiegelt? Warum muss ich das zu Hause
machen? Wahrscheinlich um das Gewicht im Onlineshop des Herstellers nach unten zu
drücken. Das Zelt wiegt 1165 Gramm, mit versiegelten Nähten wiegt es 200 Gramm
mehr.
Um es gleich vorweg zu nehmen: das Lunar Duo ist ein reines
Schönwetterzelt. Für den Einsatz bei Wind und Regen ist es vollkommen
ungeeignet und meiner Meinung auch lebensgefährlich!
Selbst bei sommerlichen 30 Grad in Schweden bildete sich
Kondens am Dach. Jedes noch so laue Windchen hat einen Teil der feuchten Pracht
in unsere Gesichter und auf die Daunenschlafsäcke tropfen lassen. Bei diesen
Temperaturen kann man die Schlafsäcke einfach morgens 15 Minuten in die Sonne
legen und alles ist gut. Was macht man aber im Regen? Das durften wir in der
Pfalz erfahren! Bei Dauerregen bildete sich nachts so viel Kondenswasser an der
Zeltinnenseite, dass unsere Schlafsäcke durchnässt wurden. Die nächste Nacht
verbrachten wir im Naturfreundehaus. Die Schlafsäcke durften wir dort
freundlicherweise trocknen lassen.
Jetzt stell Dir mal vor, Du bist irgendwo da draußen mit dem
Lunar Duo, den nächsten Ort erreichst Du erst in drei Tagen. Dein Schlafsack
ist in der ersten Nacht durchnässt und in der zweiten und dritten Nacht nicht
mehr zu gebrauchen. Die ganze Nacht tropft es auf Deine Ausrüstung.
Lebensgefährlich, sag ich Dir! In diesem Zelt kannst Du problemlos erfrieren!
Das Kondenswasser bildet sich, weil zu wenig Luft durch das
Ding zieht. Denn öffnest Du das Vestibül, damit genug Luftbewegung stattfinden
kann, regnet es Dir in die Bude. Die Belüftung zwischen Obermaterial und Zeltboden ist nicht ausreichend. Eine klassische Fehlkonstruktion!
Das Verhalten bei Wind und stürmischem Wetter ist ebenfalls
mangelhaft. Ein A-Frame Tarp würde mit der Breitseite in den Wind aufgebaut
werden. Bei starkem Wind wird das Dach bis auf den Boden gezogen, auf der windabgewandten Seite liesse man dafür etwas mehr Luft bzw. Abstand zwischen
Boden und Dach. Die im Wind liegende Seite würde man weiterhin über
Abspannpunkte auf der Tarpseite so abspannen, dass die Dachplane nicht vom Wind
ins Innere gedrückt wird.
Das Lunar Duo kann nicht schief aufgebaut werden. Der
Abstand zum Boden muss auf der im Wind liegenden Seite und auf der abgewandten
Seite gleich hoch sein. Dadurch ist es unmöglich einen sturmsicheren Aufbau zu
gewährleisten! Da Abspannpunkte auf den
Breitseiten fehlen, drückt der Wind die im
Sturm liegende Seite einfach ins Zeltinnere. Dadurch reduziert sich die Liegefläche
um die Hälfte! Nutzt Du das Zelt für Dich alleine, kein Problem, aber bei der
Duobelegung hast Du verloren. Alles wird nass.
Aber selbst wenn es nicht
stürmt, flattert und wackelt das Zelt und ist sehr unruhig bei Böen und
leichten Winden.
Ein weiterer Nachteil der ganzen Konstruktion: Das Lunar Duo
kann nur auf ebenen flächen aufgebaut werden. Liegst Du doch mal auf einer
leichten Schräge, rutschst Du auf dem spiegelglatten Silnylonboden aus dem
Zelt. Um das zu verhindern, musst Du viel Nahtdichter auf den Zeltinnenboden
auftragen. Dadurch wird das Zelt um einiges schwerer.
Das Lunar Duo vereint alle Nachteile aus beiden Welten.
Glückwunsch!
PRO:
- Für ein Zelt leicht
- Gute Verarbeitung
- Viel Raum
- Gute Kopffreiheit
CONTRA:
- Für ein Tarp zu schwer
- Tropfsteinhöhle! Achtung Lebensgefahr!
- Nicht sturmtauglich, schon bei Böen wackelig und unruhig im Wind
- Nähte nicht dicht! Handarbeit erforderlich
- Boden aalglatt
Für wen ist das Lunar Duo geeignet?
Ehrlich gesagt, für Keinen! Wer größere Wanderungen plant,
benötigt auf alle Fälle etwas verlässlicheres. Na gut, für die Kinder im Garten
wär’s noch was…
ANMERKUNG:
Die oben beschriebene Problematik betrifft meiner Meinung
nach alle in dieser Art und Weise konstruierten Tarptents, egal von welchem
Hersteller sie kommen. Diese Zelte
werden von den Herstellern so produziert und angeboten, weil es anscheinend
eine große Nachfrage nach der eierlegenden Wollmilchsau gibt. Die handwerkliche Verarbeitung des Lunar Duo
ist wirklich gut.
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