Buchbesprechung zur englischen Originalausgabe
Mit Born To Run ist Christopher McDougall ein Star
geworden.
Seine Geschichte um die dauerlaufenden mexikanischen
Indianer hat er meisterhaft erzählt. Kunstvoll hat er die Lebensläufe der
nordamerikanischen Teilnehmer am großen Rennen durch die mexikanische Steppe
und die der Indianer verwoben. Dazu noch ein paar Anekdoten aus seinem Leben,
wissenschaftliche Studien zum aufrechten Gang des Menschen und warum er
überhaupt rennt. Herausgekommen ist eines der lesenswertesten Bücher überhaupt.
Die Mischung macht es: eine Priese Reportage, etwas Wissenschaftsjournalismus,
viel wörtliche Rede, viel Witz und ein kunstvolles Arrangement von Geschichten
und Episoden, die im großen Rennen kulminieren. Sein Englisch ist auch für einen Deutschen gut
zu verstehen.
Der ganze Mix macht das Buch zu einem Erlebnis.
Ist doch klar, dass McDougall es noch einmal probiert, oder?
Er bleibt seinem Fachgebiet, dem Sport allerdings nur
teilweise treu. Hier erfährt der Leser viel über Movement Naturelle, einer
Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Frankreich, auf die sich Freerunner
und Parcours-Läufer heute noch berufen. Er erforscht, wie es möglich ist, dass
ein Mensch mühelos sehr große Distanzen über mehrere Tage auch im Gebirge
zurücklegen kann.
Interessant sind die
Ausführungen zur Ernährung und Trinken beim Sport.
Das ist das Grundgerüst, um das er nun seine Story baut.
Diesmal geht es aber nicht um den Sport und die Sportbegeisterung eines Stammes
an sich, sondern McDougall verquickt seine Begeisterung für den Sport mit den
kretischen Widerstandkämpfern während der deutschen Besatzung im zweiten
Weltkrieg.
McDougall versteht unter Helden Menschen, die über sich
hinaus wachsen und ihrer Familie, ihrem Land oder was auch immer helfend und
beschützend zur Seite stehen. Für ihn waren die kretischen Kämpfer und die
ebenfalls auf der Insel agierenden britischen Saboteure „Helden“. Hier spannt
er den Bogen zum französischen Movement Naturelle, das den Sport nur als
sinnvoll ansieht, wenn er „nützlich“ ist.
Der kretische Widerstand ist nach McDougalls Auffassung
gelebtes Movement Naturelle: sie hüpfen, rennen, besteigen Berge und schiessen
und das alles noch zum guten Zweck.
War McDougalls Sprache und Schreibstil in Born To Run
motivierend, mitreissend und enthusiastisch, so bleibt sie sich in Natural Born
Heroes treu, scheitert aber an der Tragik des zweiten Weltkrieges.
Beim Lesen des Buches fühlt man sich das eine oder andere
Mal an die Hollywood-propagandafilme der Kriegszeit erinnert. Die Entführung des
General Kreipe durch die britischen Saboteure wird als Husarenstück wie aus
einem James Bond Film geschildert. Glaubt man McDougall, waren alle Kreter
damals begeistert von dieser Aktion und haben die Briten bedingungslos
unterstützt. Alle haben sie gerne ihre Häuser und Dörfer von den Deutschen
niederbrennen lassen. Die hohen zivilen Opfer waren die Sache wert. Die
kommunistische Guerilla auf Kreta wird in Nebensätzen abgehandelt und so
dargestellt, wie wenn sie nicht für die Kreter kämpften, sondern den britischen
Haudegen alles Mögliche in den Weg legen wollten, damit diese ihre Heldentaten
nicht durchführen konnten.
Das Buch bedient sich einer schablonenhaften Schwarzweißdarstellung,
die der damaligen historischen Situation sicherlich nicht gerecht wird, aber
dem Spannungsaufbau des Sport-meets-Spionagethriller dient.
Das Buch liest sich sehr gut und ist interessant
geschrieben, jedoch ist die Herausarbeitung der heroischen Widerstandskämpfer
gegenüber der bösen deutschen Besatzung unpassend und lässt McDougalls
Geschichte eher in den Bereich der Hagiographie abgleiten.
Dass McDougall glaubt, dass es Helden gibt, die nur das Gute
tun, ist schon sehr peinlich. Er will seinen Heroismus mit den Heldenschilderungen
der Illias und der Odyssee beweisen, jedoch taugen seine Exkurse in die
klassische Philologie und Altertumskunde nicht zur Beweisführung und dürften
keinen Historiker überzeugen können.
Sehr wahrscheinlich will Christopher McDougall das auch gar
nicht. Er will nur unterhalten. Entspanntes Popcornkino auf 329 Seiten. Das
kann er.
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