Sonntag, 17. Januar 2016

Burn After Reading: Natural Born Heroes von Christopher McDougall, 2015 (423gr nachgewogen)

Buchbesprechung zur englischen Originalausgabe



Mit Born To Run ist Christopher McDougall ein Star geworden.  





Seine Geschichte um die dauerlaufenden mexikanischen Indianer hat er meisterhaft erzählt. Kunstvoll hat er die Lebensläufe der nordamerikanischen Teilnehmer am großen Rennen durch die mexikanische Steppe und die der Indianer verwoben. Dazu noch ein paar Anekdoten aus seinem Leben, wissenschaftliche Studien zum aufrechten Gang des Menschen und warum er überhaupt rennt. Herausgekommen ist eines der lesenswertesten Bücher überhaupt. Die Mischung macht es: eine Priese Reportage, etwas Wissenschaftsjournalismus, viel wörtliche Rede, viel Witz und ein kunstvolles Arrangement von Geschichten und Episoden, die im großen Rennen kulminieren.  Sein Englisch ist auch für einen Deutschen gut zu verstehen. 

Der ganze Mix macht das Buch zu einem Erlebnis.
 

Ist doch klar, dass McDougall es noch einmal probiert, oder?



Er bleibt seinem Fachgebiet, dem Sport allerdings nur teilweise treu. Hier erfährt der Leser viel über Movement Naturelle, einer Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Frankreich, auf die sich Freerunner und Parcours-Läufer heute noch berufen. Er erforscht, wie es möglich ist, dass ein Mensch mühelos sehr große Distanzen über mehrere Tage auch im Gebirge zurücklegen kann. 
Interessant sind die Ausführungen zur Ernährung und Trinken beim Sport.
Das ist das Grundgerüst, um das er nun seine Story baut. Diesmal geht es aber nicht um den Sport und die Sportbegeisterung eines Stammes an sich, sondern McDougall verquickt seine Begeisterung für den Sport mit den kretischen Widerstandkämpfern während der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg.

McDougall versteht unter Helden Menschen, die über sich hinaus wachsen und ihrer Familie, ihrem Land oder was auch immer helfend und beschützend zur Seite stehen. Für ihn waren die kretischen Kämpfer und die ebenfalls auf der Insel agierenden britischen Saboteure „Helden“. Hier spannt er den Bogen zum französischen Movement Naturelle, das den Sport nur als sinnvoll ansieht, wenn er „nützlich“ ist. 

Der kretische Widerstand ist nach McDougalls Auffassung gelebtes Movement Naturelle: sie hüpfen, rennen, besteigen Berge und schiessen und das alles noch zum guten Zweck.
War McDougalls Sprache und Schreibstil in Born To Run motivierend, mitreissend und enthusiastisch, so bleibt sie sich in Natural Born Heroes treu, scheitert aber an der Tragik des zweiten Weltkrieges.

Beim Lesen des Buches fühlt man sich das eine oder andere Mal an die Hollywood-propagandafilme der Kriegszeit erinnert. Die Entführung des General Kreipe durch die britischen Saboteure wird als Husarenstück wie aus einem James Bond Film geschildert. Glaubt man McDougall, waren alle Kreter damals begeistert von dieser Aktion und haben die Briten bedingungslos unterstützt. Alle haben sie gerne ihre Häuser und Dörfer von den Deutschen niederbrennen lassen. Die hohen zivilen Opfer waren die Sache wert. Die kommunistische Guerilla auf Kreta wird in Nebensätzen abgehandelt und so dargestellt, wie wenn sie nicht für die Kreter kämpften, sondern den britischen Haudegen alles Mögliche in den Weg legen wollten, damit diese ihre Heldentaten nicht durchführen konnten.

Das Buch bedient sich einer schablonenhaften Schwarzweißdarstellung, die der damaligen historischen Situation sicherlich nicht gerecht wird, aber dem Spannungsaufbau des Sport-meets-Spionagethriller dient.

Das Buch liest sich sehr gut und ist interessant geschrieben, jedoch ist die Herausarbeitung der heroischen Widerstandskämpfer gegenüber der bösen deutschen Besatzung unpassend und lässt McDougalls Geschichte eher in den Bereich der Hagiographie abgleiten.

Dass McDougall glaubt, dass es Helden gibt, die nur das Gute tun, ist schon sehr peinlich. Er will seinen Heroismus mit den Heldenschilderungen der Illias und der Odyssee beweisen, jedoch taugen seine Exkurse in die klassische Philologie und Altertumskunde nicht zur Beweisführung und dürften keinen Historiker überzeugen können.

Sehr wahrscheinlich will Christopher McDougall das auch gar nicht. Er will nur unterhalten. Entspanntes Popcornkino auf 329 Seiten. Das kann er.
 

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