Sonntag, 17. Januar 2016

Declassified: Weckruf an die Schlafwandrer. Eine ernüchternde Wanderung im Biosphärenreservat



Das Landhaus Tausendschön in Fischbach ist ein sehr guter Ausgangspunkt, um das Deutsch-Französische Grenzgebiet im Herbst wandernd zu erkunden. Die Betreiber sind sehr nett, das Essen ist sehr gut und man fühlt sich direkt wohl.



Fischbach liegt im Saarbachtal, unweit der französischen Grenze. Wo man hinblickt, sieht man Wald. Herrlich! Die Seen im Saarbachtal sind eine Augenweide. Hier möchten wir den Pfalzwoog besonders hervor heben.

Der Internetauftritt Pfalz.de verspricht „Wandern in der Pfalz: Naturgenuss zwischen Wald und Wein“. 




Die Ausweisung des Gebietes als Biosphärenreservat weckt die Hoffnung auf halbwegs naturbelassene Wälder und schöne Wanderwege.



Machen wir uns nichts vor: natürliche Wälder, gar Urwälder gibt es dort nicht. Der Pfälzerwald ist ein forstwirtschaftlich angelegter und ausgebeuteter Wald. Aber auch in einem Forstwald kann man wandern…




Das deutsch-französische Grenzgebiet ist ein wunderschönes Wandergebiet mit sehr viel Wald, schönen Auen, Flüsschen, Seen, skurrilen Felsen und spektakulären Burgen. Einzigartig. Wenn da nur nicht…


Über allen Wäldern knattert beständig die Motorsäge


Ja wenn da nur nicht die intensive forstwirtschaftliche Nutzung wäre. 


Wir erlebten keinen Tag dort ohne das pausenlose knattern der Motorsäge. Egal wo man ist, auf der deutschen und auch der französischen Seite überall wird kräftig gesägt und gefällt. Es gibt fast keine ruhigen Flecken.  Das ständige Hintergrundrauschen ist etwa genauso stressig auf Dauer wie das Rauschen einer Autobahn im Hintergrund. Der Forst sperrt wegen der Baumfällungen ganze Wege ab. 
Manchmal weist er eine Umleitung aus, manchmal ist einfach abgesperrt. Ärgerlich ist das, wenn man schon 15 km gewandert ist und für den Rückweg durch das gesperrte Gebiet müsste. Oft bleibt nur die Rückkehr auf dem gleichen Weg.




Kahlschlag- die hässliche Glatze des Waldes


Ganze Hänge werden gerne mal von lästigen Bäumen befreit. Übrig bleibt ein Schauplatz der an die Schlachtfelder des ersten Weltkriegs erinnert. Die Wanderwege durch die Brachen sind oft nicht freigeräumt und das Wandern artet in eine Kletterpartie aus. So ähnlich müssen sich die Soldaten bei Verdun gefühlt haben, wenn sie aus den Schützengräben zum Angriff gestiegen sind.


Wollen wir hier auch nicht über forstwirtschaftliche Fachbegriffe streiten. Der Forst nennt das nicht Kahlschlag, sondern Schirmschlag. So oder so, es ist eine Zumutung für den Wanderer.





Es leuchtet der Wald so bunt- nicht nur zur Herbstenzeit


Der Forst hat viel Freude daran, die zu fällenden und die zu erhaltenden Bäume mit allerlei leuchtend bunten Markierungen zu versehen. 

Der Eindruck, sich in der Natur zu befinden, verschwindet sehr schnell, da an ein paar Bäumen sich oft mehr Forstgraffiti befinden als unter der Mühlheimer Brücke in Köln. Wen die leuchtend roten, gelben und roten Markierungen stören: kein Problem, die verschandelten Bäume werden eh bald abgeholzt.
 


Moderne Erntefahrzeuge


Man trifft sie überall im Wald. Forwarder, Harvester, Unimogs und Traktoren. Sie planieren durch ihr Gewicht den schönen lockeren Waldboden, verpesten mit ihren Abgasen die Luft für den Wanderer und sind eine Zier für jedes Urlaubsfoto.


Mal ganz ehrlich: was machen diese Dinger in einem Biosphärenreservat? Was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun? 

Der von den Geräten festgedrückte Boden kann kein Wasser mehr aufnehmen. Bei jedem Regen rauscht es ins Tal und kann dort zu Überschwemmungen in Bächen und Flüssen führen. Gleichzeitig leiden die Bäume im Wald an Wassermangel in der Sommerzeit, da der Boden kein Wasser mehr speichert. 


Was fehlt zum Waldesglück? St. Hubertus, blas ins Horn!


Die Jagd kann den Aufenthalt im Wald gefährlich machen. So manch ein Jäger muss wohl die Brille zu Hause vergessen haben, wenn er auf dem Hochsitz Ausschau hält. Oder er ist einfach ein Menschenhasser.


Wir trafen bei Petersbächel auf drei Wanderpaare gehobenen Alters. Ihnen stand der Schreck noch ins Gesicht geschrieben. Sie wanderten auf einem der Pfälzer Premiumwanderwege, als über ihnen ein Schuss krachte, dann ein zweiter. Vor Schock gelähmt, konnten Sie nicht gleich reagieren. Sie warfen sich auf den Boden und haben geschrieen, dass das Schießen aufhören solle, sie seine Wanderer. Das Schießen hat aufgehört. In Panik sind sie den weiteren Weg gerannt, bis wir auf sie getroffen sind. 


Nicht dass jemand glaubt, die sechs alten Leutchen wären in dunklen Loden und grünen Kniebundhosen durch den Wald gezogen. Sie trugen leuchtend rote Outdoorjacken und der Jäger hat sie trotzdem nicht gesehen? Oder erhielten sie nur einen Warnschuß vor den Bug? Wollte man Ihnen sagen, dass sie hier im Wald unerwünscht sind?


Und was fehlt noch zum Waldesglück? Stillgestanden!


Das Forstamt Wasgau gibt auf seiner Internetseite an, dass der Wasgau ein „Häufiger Übungsraum für in- und ausländische Streitkräfte“ sei (Forstamt im Wasgau).

Der Wasgau ein militärisches Übungsgelände? Das kann doch nicht sein! Und das Biosphärenreservat?


Omnipräsent ist das ständige Schießen, das man vom Truppenübungsplatz Bitche dauerhaft hören kann: bumm- bumm-bumm. Das Ganze in einer gut hörbaren kernigen Bassnote. Man fühlt sich schon ein bisschen an die Berichterstattung über Syrien erinnert. 


Die militärische Geräuschkulisse komponiert mit den kreischenden Sägen der Waldarbeiter und dem dumpfen Fallen der Bäume eine gespenstische Oper, auf deren Aufführung man als Wanderer getrost verzichten kann. Entweder unterhält man sich so laut, dass man nichts anderes mehr hört (so machen es die „Pälzer Krischer“) oder es beschleicht einem im Laufe der Wanderung ein beklemmendes und vor allem störendes Unwohlsein. Erholung im Wald sieht anders aus!


Also so sieht die Nutzung des Waldes durch in- und ausländisches Militär aus? Ein Geräuschteppich aus der Ferne?


Mitnichten! Ganze Rudel von Soldaten in Kampfmontur, Gewehren und Sturmhauben ziehen durch den Wald. Das ist kein Witz! Wir durften diesen Leuten in der Nähe des Berwartstein begegnen. Sie marschierten, schwammen nackt durch Badeseen und fuhren darauf Schlauchboot. Militärlastwagen standen unter Bäumen versteckt am Ufer mit laufenden Motoren. Wahrscheinlich hatten die Fahrer kalt und ließen die Heizung laufen.


Die Aufpasser der Übung fuhren in einem Geländewagen durch den Wald. Da hieß es schnell auf die Seite springen!

Für Schranken hatten die Knaben wohl keine Schlüssel dabei und so umfuhren sie sie einfach durch Lichte stellen im Wald.

Mal abgesehen davon, dass niemand irgendwelchen vermummten und bewaffneten im Wald begegnen möchte, zerstören diese Übungen doch den Wald und stören die Ruhe im Wald. Und das ist im Biosphärenreservat möglich?


Wanderwege sind eine aussterbende Art


Im Pfälzer Wald gibt es noch viele schmale maximal ein Meter breite echte Wanderwege. Diese sind vermutlich vom Pfälzer Waldverein irgendwann einmal angelegt worden.

Es lässt sich auch gut auf ehemaligen Forstwegen wandern. Aber auch die sterben langsam aus.


Zunehmend darf man auf forstgerechten Schotterpisten wandern. Schotter ist gut für Autos und Forstfahrzeuge, aber nicht zum Wandern. Schotter gehört im Wald nicht unter die Füße! 


Manchmal spart man sich aber den Schotter. Ein schon vorhandener Forstweg von vielleicht drei Metern Breite wird auf fünf bis sieben Meter erweitert und planiert. 
 
Pflanzenbewuchs am Wegesrand wird gnadenlos plattgewalzt. So haben die großen Erntemaschinen mehr Platz und können ihre Einsatzbereiche erreichen. Bei Regen sammelt sich in den Radspuren so viel Wasser, dass man bis zum Knie darin versinkt. Auf den Wanderer wird hier keine Rücksicht mehr genommen. Witziger weise sind manche Wege als Reitwege ausgewiesen. Damit soll verhindert werden, dass durch die Huftritte schmalere Wege abgetreten werden und es zu Erosion am Hang kommt. Die Hufschäden sind im Vergleich zu dem, was die Maschinen anrichten lachhaft gering. Aber man ist schon besorgt im Wald!


Waldeslust schlägt um in Waldesfrust


Wandern spielt eine große Rolle in der Pfälzer Tourismusindustrie. Viele kleine Betriebe (Hotels, Restaurants usw) sind auf Touristen angewiesen, um in der strukturschwachen Region überleben zu können.

Für Wanderer gibt es aber nur schöne Fotografien auf den Internetseiten der Branche. Die Wirklichkeit im Wald sieht anders aus!



Und hat man nun den Wanderer vergessen?


Bestimmt nicht! Man schließt ihn nämlich gleich ganz aus dem Wald aus! 
Absperrungen sind eine klare Ausladung. Forstautobahnen mit seetiefen Pfützen oder holprigem Schotterbelag sind eine stille Aufforderung, den Wald zu verlassen. Jedem Wanderer wird gezeigt, dass der Wald anderen und zwar forstwirtschaftlichen und Jagdinteressen dient. 



Sicherlich wird der Wald nicht komplett als Forstindustriezone abgesperrt, befinden sich die Wälder doch in öffentlichem Besitz und wird die forstwirtschaftliche Nutzung doch mit unserem Steuergeld finanziert.

Aber gewünscht ist der Wanderer oder Mountainbiker nicht. Er ist ein Störfaktor in einer auf Geldgewinn ausgerichteten Waldwirtschaft.


Dies zeigt sich übrigens auch auf den Wanderkarten. Dort werden nur noch wenige Hauptwanderwege sprich Forstwege ausgewiesen. Sehr viele ältere Wege werden noch nicht einmal mehr angezeigt und sie werden im Wald auch nicht mehr gepflegt und verwuchern. Dient wahrscheinlich alles dem Naturschutz im Biosphärenreservat. Irgendeiner muss den Wald ja schützen, wenn man schon alle paar Meter eine Forstautobahn baut!


Es ist ebenfalls merkwürdig, dass das Zelten in deutschen Wäldern verboten ist. Die Tiere müssen ja irgendwann einmal zur Ruhe kommen, vor allem, wenn sie tagsüber von Erntegeräten und Jägern in den Wahnsinn getrieben werden. Mal ganz abgesehen davon, dass durch die Fütterung der Tiere die Tierdichte in den Wäldern viel zu hoch ist und der Lebensraum immer enger wird. Aber Tiere brauchen keinen Lebensraum, sondern nur eine freie Schussbahn vorm Hochsitz.


Der Mensch, der Erholung im Wald von der industrialisiert Welt sucht, findet im Wald nur noch industrielle Verwertung und wird im Wald nur noch geduldet, obwohl es sich um öffentliches Eigentum handelt. 


Der einzelne Mensch stört das Wild, stört und gefährdet die Umwelt. Die industrielle Forstwirtschaft zerstört den Wald und schreibt sich die Erhaltung der Umwelt auf die Fahnen. Das Geschwätz von der Nachhaltigkeit ist Volksverdummung. Die Finanzierung erfolgt über unser aller Steuergeld. 
 


Förster agieren wie Ärzte im Krankenhaus: Halbgötter in Loden. Blindes Vertrauen in die Meinungen der Forstwirtschaft  und kritikloses Hinnehmen ihrer Werke führt zum Ausschluss des Menschen aus seiner eigenen Umwelt.


Wir selbst finanzieren die Vernichtung des Waldes. Nach und nach wird er verschwinden und wir werden es bedauern, wenn er fehlt. Noch steht er.



O Wanderer, wache auf aus Deinem romantischen Schlaf. Zieh die rosarote Brille ab! Der Wald ist schon heute hässlicher als Du Dir eingestehen willst.  


Heute muss sich der Prinz den Weg zu  Dornrößchens Schloss nicht erst freikämpfen. Ein breiter Weg führt dorthin. 


Der Wald gehört allen!

Wir können ihn nicht einzelnen Interessenverbänden überlassen!

Wach auf, bevor er weg ist!

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