Zuerst werden wir den Arran Coastal Way kurz vorstellen,
dann widmen wir uns umfangreich in Text und Bild dem Weg und der Stimmung, die man dort vorfindet.
Den Weg stellen wir in insgesamt 4 Posts vor.
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Lochranza Bay, Blick über den Mull of Kintyre |
Beginnen wir mit dem Allgemeinen:
Wir waren in der letzten Oktoberwoche unterwegs und hatten mit dem Wetter verhältnismäßig Glück. Auch wenn es geregnet hat und stürmisch war, warm war es immer.
Der Herbst hat den Vorteil, dass es keine Midges sprich Moskitos mehr gibt. Durch die ständigen Wetterwechsel ergeben sich immer neue Lichtverhältnisse, die jedem Fotografen das Herz aufgehen lassen.
Eine Gezeitentabelle sollte man immer dabei haben. Viele Stellen sind bei Flut nicht passierbar. Alles weitere dazu findet ihr auf der Hompage des Arran Coastal Way.
Für wen ist der Weg geeignet:
- für Alle abenteuerlustigen Schottlandfans
- für Alle, die minimale Karten und Kompasskenntnisse haben
- für Alle, die keine Höhenangst haben
- für Steinzeitfreunde
Für wen ist er nicht geeignet:
- für Alle, die eine umfangreiche Wegemarkierung erwarten.
- für Alle, die gerne auf gut gepflegten Wegen wandern möchten
- wer nasse Füße meiden möchte, wandert hier besser nicht
Eine kleine Reise nach Arran
Arran –
schon einmal davon gehört?
Nein? Ist
nicht schlimm. Kennt sowieso kaum jemand. Selbst selbsternannte
Schottlandkenner ziehen die Augenbrauen zusammen und suchen anscheinend
irgendwo in der Ferne ( auch wenn’s nur im eigenen Erinnerungsvermögen ist!)
nach der Antwort. Hab ich das schon einmal gehört? Verflixt nochmal!
Arran ist
eine Insel.
Ach so!
Jetzt erinner‘ ich mich! Gehört die nicht zu den Hebriden oder so?!
Schon weht
der Hauch des Mystischen durch das Gespräch: eine Insel der Hebriden im Westen
von Schottland. Und dazu noch ein so sonderbarer Name…
Nun ja,
Arran ist die südwestlichste Insel Schottlands. Sie lässt sich zu Fuß bequem in
einer Wochen umrunden. Der höchste Berg misst keine 900 Meter. Keine 5000
Menschen leben dort. Bei Stürmen und im Winter fällt oft der Strom aus. Eine
Brücke dorthin gibt es nicht. Der Fährverkehr fällt dann natürlich auch aus.
Nun ist es
Herbst. Genauer gesagt Herbstferien. Sie liegen dieses Jahr ziemlich spät. Die
Tage werden sehr kurz. Die Uhr wird umgestellt. In einer Woche möchten wir die
Insel umwandern.
Wie wir
darauf gekommen sind? Gute Frage. Wir sind zufällig darüber gestolpert. Wir
suchten nur einen Wanderwerg, den man bequem in einer Woche mit einer hohen
Gute-Wetter- Wahrscheinlichkeit in Schottland wandern kann. Und es sollte nicht
der West Highland Way sein. Und es sollte keine Probleme wegen Schnee geben.
Und wir wollten in privaten Unterkünften übernachten.
Der Arran
Coastal Way wurde von Cameron McNeish zuerst in einem Stück begangen und von
Ihm stammt auch die erste Publikation.
Wer Cameron
nicht kennt – ist nicht schlimm. Cameron McNeish ist ein mehr oder weniger
selbstgefälliger grauhaariger schottischer Outdoorguru. Er produziert
Outdoorsendungen für die BBC (so ähnlich wie bei uns „Unser schönes NRW“,
allerdings mit klarem Bezug zum Wandern) und gehört zu den Redakteuren
des größten britischen Outdoormagazins TGO. Cameron hat ferner den
Sutherlandtrail und diverse Goretex-Trails ins Leben gerufen. Der große Sponsor
legte wohl viel Wert darauf, dass sein Name in jeder Wegbezeichnung erscheint.
Ist so ähnlich wie mit der Allianz-Arena. Aber egal. Cameron erweckt immer den
Eindruck eines Elder Statesmen der schottischen Outdoorbewegung. Was er
wirklich ist und für wen er sich hält, sind möglicherweise zwei paar Stiefel.
Sein
Verdienst ist es jedenfalls, den Arran Coastal Way ins Leben gerufen zu haben. Dafür sei
ihm Dank!
Wir wollen
Euch nun von unserer Reise dorthin erzählen:
Ein Flughafen irgendwo in Deutschland.
Alles grau, alles zweckmäßig. Der Mensch ist nur ein Sicherheitsrisiko, Kunde oder Fluggast. Am Schalter geschäftige Abwicklungsfreundlichkeit. Der nächste Bitte.
Alles grau, alles zweckmäßig. Der Mensch ist nur ein Sicherheitsrisiko, Kunde oder Fluggast. Am Schalter geschäftige Abwicklungsfreundlichkeit. Der nächste Bitte.
Das dunkle grau wird nur von einigen Strahlern
erleuchtet. Aus den Strahlen springen Produkte, Artikel und Schnäppchen in das
Auge des meist passiven Betrachters. Das Auge wird von Marketingstrategen durch
den Raum geführt. Jetzt links schauen. Noch hundert Meter bis zur Kontrolle.
Ah, jetzt rechts!
Sicherheitskontrollen sind nicht schön. Sie sind sehr
unangenehm. Die Beschäftigten (nur damit Sie auf keine dummen Gedanken kommen
„beschäftigt“!) sind hier freundlicher als die auf freundlich trainierten am Schalter. Der Erste im Flughafen, der mir ohne darauf abgerichtet zu sein einen angenehmen
Flug wünscht! Flugtickets OK.
Rucksack runter, Gürtel aus. Ab durch das graue Tor in
eine andere Welt. Biep, biep. Wie im OP. So ähnlich werden die Menschen auch
behandelt: alles wird seziert. Es könnte ja ein Terrorist dabei sein, böse
Menschen, die nur Unschuldige umbringen möchten. Haben andere Ziele als der schöne
Westen. Wir entmenschlichen hier alles anders.
Jetzt nur noch auf den Flieger warten. Die Shops sind
relativ leer. Hier kauft nur, wer hier nicht wohnt. Der Blick auf das Rollfeld
ist sehr interessant. Ein Kaffee dazu und die Hoffnung, dass sich die
Anspannung legt. Jetzt ist Urlaubszeit. Das Gedränge und Gehetze der anderen
Menschen macht es aber nicht leicht. Wieder ein Blick auf die Uhr. Erst fünf
Minuten später und immer noch über eine halbe Stunde bis zum Aufruf. Einige
holen ihre modischen Rechner heraus und surfen besinnungslos im Netz. Die
meisten Leute sitzen einfach wie betäubt und warten und warten. Leben findet
hier nicht statt. Es beginnt erst dort, wo man hinfliegt. Das Jetzt gehört noch
nicht dazu, ist etwas was schnell vorbeigehen muss. Der Weg dorthin spielt
keine Rolle. Erst dort ist alles besser. Immer auf der Flucht. Wovor? Vor sich
selbst? Angst, seine Lebensführung in Frage zu stellen, hätte man nur einmal
einen ruhigen Moment?
Noch mal auf die Toilette. Die werden so oft gereinigt,
dass man sich schon fragen muss, ob wann man sie denn zur Verrichtung der
Notdurft nutzen kann. Immer steht eine Putzfrau drin und wischt mit dem Lappen
über den Boden. Alles ist feucht, schwül und klebrig. Das Urwaldfeeling stellt
sich ein!
Wir gehen zum Gate und erwischen noch zwei Sitzplätze.
Alle sind aufgeregt und können kaum den Aufruf erwarten, die Erlösung vom
Warten , vom Stillstand, die Verheißung auf ein neues Glück.
Der Warteraum ist noch grauer und grober als die
Architektur bisher. Sicherlich liegt es daran, dass man hier nichts mehr kaufen
kann. Eyecatcher sind nunmehr überflüssig. Alle haben schon bezahlt, jetzt wird
nur noch abgefertigt. Die steife Dame im Kostümchen wühlt durch einen Stapel
Blätter. Ein kurzes Telefonat mit einer unbekannten Macht.
Die Mutter gegenüber kann ihr Kind nicht ertragen. Die
Kleine zappelt und turnt auf dem Sitz herum, ist aber für ihr Alter erstaunlich
ruhig. Die Mutter versucht, ihr weh zu tun. Die Kleine schaut sie
verständnislos und fragend an. Die Mutter setzt die Kleine auf dem Stuhl
zurecht, so dass sie ihr weh tut. Diesmal hat es geklappt. Die Kleine heult,
die Mutter drückt sie an sich. Tut mir Leid! So viel unterschwelliger und
unterdrückter Hass! Ich schaue weg.
Die steife Dame im Kostümchen telefoniert noch einmal.
Immer noch mit der unbekannten Macht? Ein Rollfeldarbeiter öffnet die Tür
hinter ihr, geht auf sie zu und flüstert ihr vertrauliche Dinge ins Ohr. Er ist
sicherlich ein Botschafter der unbekannten Macht. Die Unruhe der Wartenden
nimmt zu. Ist dies der Erlöser, der das Signal zum Start gibt? Er wird
beobachtet wie eine Schlechtwetterfront von Westen. Im Gegensatz zu ihr zieht
er kurz darauf wieder ab.
Die steife Dame im Kostümchen drückt den Knopf am Mikro und bevor sie auch nur ein Wort sagen kann, stehen Alle vor ihr und versuchen den besten Startplatz für den Sprint in den Flieger zu erhaschen. So kennen sie es aus ihren grauen Leben im grauen Büroalltag. Die besten Plätze sichern, andere verdrängen, Einsatz zeigen. Rücksicht ist für Kinder. Alle sind genervt und gestresst. Warum nur? Ein unerträgliches Leben führen Sie. Sich selbst zu viel. Würde sie das Flugzeug vergessen, auch wenn sie als Letzte einstiegen? Ein Wunder, dass es keine Schlägerei gibt.
Die steife Dame im Kostümchen drückt den Knopf am Mikro und bevor sie auch nur ein Wort sagen kann, stehen Alle vor ihr und versuchen den besten Startplatz für den Sprint in den Flieger zu erhaschen. So kennen sie es aus ihren grauen Leben im grauen Büroalltag. Die besten Plätze sichern, andere verdrängen, Einsatz zeigen. Rücksicht ist für Kinder. Alle sind genervt und gestresst. Warum nur? Ein unerträgliches Leben führen Sie. Sich selbst zu viel. Würde sie das Flugzeug vergessen, auch wenn sie als Letzte einstiegen? Ein Wunder, dass es keine Schlägerei gibt.
Unbeirrt von dem allem nuschelt und schlunzt die steife
Dame im Kostümchen ihre Sätze ins Mikrophon. Jeder weiß, um was es geht, sie
sagt es trotzdem noch einmal für alle und in zwei Sprachen. Die zweite Sprache
ist offensichtlich nicht ihre Muttersprache.
Frauen und Kinder zuerst! Mit anders formulierten Worten
aber mit gleicher Intention verursacht sie noch einmal ein Geschiebe und
Gedränge. Die zu spät gedrängten, deren Kinder noch einmal auf Toilette waren,
sie drängen mit aller Macht nach vorne. Die letzten werden die ersten sein!
Wenigstens hier hat die heilige Schrift einmal recht.
Karten hinhalten, abreißen, bitte danke. Und schnell
durch das enge Tor, durch den Geburtskanal des modernen Menschen, ganz in grau
und mit der Hoffnung auf eine neue heile Welt.
Wieder geschäftsmäßiges Grinsen an Bord. Guten Tag. Wir
suchen uns zwei Plätze dort, wo noch keiner sitzt. Rucksack hoch, Musik und
Buch noch schnell raus. Die anderen drängen hinter mir durch. Mach doch platz,
du stehst hier im Weg. Da bleibe ich doch extra mal an dir hängen und rege mich
auf. So, alles erledigt, ach nein das Handy noch aus. Ich packe den Rucksack
nach oben, setze mich hin. Wie Wasser im Fluß strömt die Hektik und Panik der
Mitfliegenden um mich herum. Wie ein Stein im Fluß sitze ich auf meinem Platz.
Nichts bringt mich hier für die nächsten eineinhalb Stunden weg. Nur noch
Rucksackbänder und Handtaschengriffe streifen meinen Kopf bis sich die
Aufregung gelegt hat, die Gepäckfächer geschlossen sind und alle sitzen.
Von Ruhe und Entspannung noch keine Spur. Die Gespräche
verebben, die Stewardessen zählen die Passagiere noch einmal durch. Alle
Gepäckfächer geschlossen.
Da jetzt alle im Flieger sind, kann es keiner erwarten,
bis er abhebt. Die ersten schauen schon angestrengt nach vorne. Was ist los?
Warum starten wir noch nicht? Ich habe es eilig! Warum nur? Ich verstehe diese
Leute nicht.
Ich muss schmunzeln und denke an die Menschen, die auf
dem Bahnsteig stehen, wenn der Zug etwas später kommt. Sie schauen den
einfahrenden Lokführer mit vorwerfender Verachtung an. Ein strafender Blick,
von gerechtem Zorn erfüllt. Unverschämt!
Die Kabinentür ist nun geschlossen. Eine der Stewardessen
nuschelt „boarding complete!“ in die Lautsprecher. Die anderen nehmen Sie die
Atemmasken und veranstalten die übliche Flugzeugaerobic. Niemand schaut zu, wie
schon in den achtziger Jahren bei Jane Fonda.
Nun spricht der Kapitän zu uns. Er versucht, mit einigen
fachmännischen Bemerkungen die Aufmerksamkeit der Passagiere auf sich zu lenken
und die Meute zu beruhigen. Eine angespannte Ruhe stellt sich tatsächlich ein,
aber nicht wegen der ausgefeilten Rhetorik des Piloten sondern weil jetzt alle
wissen: es geht los!
Noch einmal werden die Landeklappen mit hellem Surren
bewegt. Die Triebwerke werden nun lauter. Die Gespräche verstummen. Nur wenige
führen weiter Konversation. Der magische Moment nähert sich, der die
gestressten Alltagsmenschen in eine andere aber doch ganz ähnliche Welt
transformieren soll. Eine Welt, abgesondert vom Jetzt. Nur noch Internet und
Telefon sorgen für eine Ankoppelung und Vernetzung mit der Welt, die man hinter
sich gelassen hat. Ganz aufgeben kann man nicht. Die Angst ist zu groß,
fortgetrieben zu werden in grenzenlose Weiten ohne Kontrolle, ohne Richtung.
Der Flieger hat gedreht und rollt langsam auf die
Startbahn zu. Die Anspannung hat sich bei Vielen wieder gelegt. Jetzt
sitzen sie im Flugzeug, niemand holt sie mehr raus. Das Dröhnen der Turbinen
wir immer lauter. Wie Vollgas mit angezogener Handbremse.
Plötzlich gibt der Pilot die Bremsen frei. Die
Beschleunigung drückt die Passagiere nach hinten. Köpfe werden in die Stützen
gepresst, um Kurz darauf wieder nach vorne zu schnellen: das große
Einverständnis und die Einwilligung in eine sonnige Zukunft. Für Viele aber
auch die Bestätigung, diesmal alles richtig gemacht zu haben. Keine Arbeit,
kein Stress, nur Sonne und Ruhe. Eine kurzfristige Flucht in ein animiertes Bespaßungsprogramm.
Motten fliegen zum Licht. Selbst hat man ja nichts mehr zu
lachen. Vom Alltag gelähmt wie vom Stachel einer Spinne. Eingewickelt in
Pflichten, Erwartungen und Forderungen wie das Opfer im Netz der Spinne. Aber,
wenn alles so vorgegeben ist, liegt nicht auch eine Beruhigung darin? Keine
eigenen Gedanken. So wie es ist, so wird es schon sein müssen. Fragen wir doch
mal das Opfer der Spinne zum Thema!
Endlich in Schottland
Nach kurzer Flugzeit und den üblichen geschäftsmäßig genuschelten Durchsagen beginnt der Landeanflug auf Edinburgh.
Das Wetter ist so, wie man es in Schottland erwartet: bewölkt und regnerisch.
Die Landung erfolgt trotz starkem Wind ungewöhnlich reibungslos. Läuft schon alles ziemlich professionell hier ab. Gekünstelte Lächeln drängen uns aus dem Flieger. Wir betreten Schottland, wir betreten eine andere Welt.
Obwohl Schottland nicht allzuweit von Deutschland entfernt ist, ist hier Alles anders.
Der Flughafen ist in Lilatönen gestrichen. Die Hallen sind hell. Die Angestellten spielen keine Höflichkeit, sie sind einfach nett und freundlich. Die Atmosphäre ist sehr entspannt. Niemand rempelt einen an. Niemand drängt. Man möchte den Flughafen nicht unbedingt schnell verlassen, er ist kein Durchgangsort. Dieser Platz lädt zum Verweilen ein.
Wir schnappen unser Gepäck und trollen uns zum Airportbus, der uns zum Bahnhof in Edinburgh bringen soll.
Die Tickets verkauft vor dem Bus ein kleiner Inder oder Pakistani.
Yes please?
Two tickets to Waverly Station please.
Two return tickets?
Yes please.
Bei der Farge nach den return ticktets durchzuckt es uns ganz leicht. Zurück kommen? Muss das sein? Wird wohl so sein müssen!
Der Doppeldeckerbus ist hell, sauber und geräumig. Alle finden für sich und ihr Gepäck Platz.
Nach knapp 30 Minuten Fahrt steigen wir am Hauptbahnhof aus. Der Dudelsackspieler an der Ecke Princess Street spielt und spielt und spielt. Unzählige Asiaten fotografieren kichernd den dickbackigen Vogel im kurzen Rock.
Anders als bei der Deutschen Bahn haben wir in all den Jahren in Schottland nie einen Anschluss verpasst. Wir erreichen den Zug, verstauen unser Gepäck in den dafür vorgesehenen Fächern am Wagenende und warten bis es los geht. Der Zug ist gut gefüllt, die meisten scheinen Berufspendler zu sein.
Die Schaffnerin kommt mit einem herzlichen "Tickets please!", streicht die Fahrkarte einmal mit Kugelschreiber durch und gibt sie uns wieder zurück, wobei sie uns noch einen angenehmen Tag wünscht.
Wir essen noch das ein oder andere Sandwich als uns plötzlich aus der Sitzreihe vor uns eine Stimme fragt:
Höre ich da nicht jemanden Deutsch reden?
Nun, wir wussten nicht, was wir damit anfangen sollten. Was soll er denn sonst gehört haben? Was soll die Frage?
Da drehte er sich auch schon lächelnd um und begrüßte uns.
Es war ein sonderbares Kerlchen. Klapprig dünn mir runder Nickelbrille im käsigen Gesicht. Auf dem runden Schädel saß eine karierte Tweedmütze, die zu seiner Jacke und zur Hose passte. Kurzum, er war die Inkarnation von Nick Knatterton!
Er fing dann auch sofort an, zu erzählen. Wer wir seien, wo wir herkämen, wo wir hinwollten und so weiter und so fort. Er kommt aus Mecklenburg-Vorpommern und schreibt an der Uni in Glasgow seine Disseratation. Vorher habe er aber in Edinbourgh studiert. Und Glasgow hätte die lebendigere Kulturszene. Und bei den schottischen Mädels liefe alles ganz traditionell ab. Wenn er mit einer ausgehen möchte, müsse er zuerst bei ihrem Papa vorsprechen. Ja und an der Uni würden sie alle sofort bemerken, dass er Deutscher ist. Bei ihm sei der Schreibtisch immer aufgeräumt. Und wenn er mal an einen Schreibtisch eines schottischen Kommilitonen gehen würde, müsste er immer erst einmal Platz schaffen und die Tastatur über dem Mülleimer rumdrehen, damit der ganze Dreck rausfällt. Und...
Susanne schaffte es nun, ihn in dem Moment zu unterbrechen, wo er das erste Mal Luft holte:
Über was schreibst du eigentlich?
Der dürre Knabe, war eine Millisekunde irritiert, fasste sich wieder und verkündete freudestrahlend:
Ich untersuche Hörschäden bei Orchestermusikern!
Hörschäden bei Ohr-chestermusikern???
Junge, Junge, das ist aber ein spezielles Thema!
Susanne hatte hier in ihrem Gesicht - natürlich nur ganz leicht - den Ausdruck größter Verachtung. Dazu kam etwas in ihren Augen, was mir zu verstehen gab, dass sie von ihm dachte, er hätte sie nicht mehr alle beisammen.
Dem Knaben selbst fiel das nicht auf.
Er dozierte nun über seine Studie, die er in diversen Orchestern durchführte. Und wie interessant das Thema sei. Und wie tragisch die Schäden für die Musiker seien. Und wie schwierig die Forschung auf dem Gebiet sei. Und...
Susanne schaute kurz zu mir rüber und deutete ein verächtliches Kopfschütteln an.
Ja und habt ihr nicht über meine Forschung in der Süddeutschen Zeitung gelesen? Über zwei große Seiten!
Das saß! Bei uns ratterten die Hirne.
Susanne konnte sich jetzt wieder erinnern:
Genau! Vor einem oder zwei Jahren im Wissenschaftsteil der Süddeutschen! In der Seitenmitte war ein Orchester abgebildet!
Der Knabe überschlug sich vor Freude:
Ja genau das. Das bin ich!
Mittlerweile ist auch mir gedämmert, was das damals in der SZ stand.
Susanne und ich saßen beim Mittagskaffee am Küchentisch und Susanne laß die SZ. Sie nahm die Zeitung, drehte sie zu mir und ich konnte die beiden Seiten des Wissenschaftsteil sehen. Voller Verachtung sagte sie zu mir:
So eine Scheiße! Wie kann irgendein vernünftiger Mensch so eine Scheiße produzieren? Schreibt über den Mist auch noch eine Doktorarbeit! Was muss das für ein Mensch sein? Bleichgesichtig sitzt der bestimmt den ganzen Tag im Elfenbeinturm und hört sich abends Mahler-Symphonien an! Ein echtes Uni-Gewächs. Unfassbar überflüssig!
Ich nahm damals die Zeitung, während Susanne vor lauter Frust in den Kuchen biss.
In der Tat. Ich konnte keine 30 Sätze lesen von dem Artikel. So etwas Langweiliges und Überflüssiges habe ich noch nie gesehen.
Ich schüttelte den Kopf und gab ihr die Zeitung zurück.
Sie wollte sie gar nicht mehr haben und sagte nur: Werf den Mist gleich weg!
Genau so war es damals. Nun ja, jetzt saß uns der Typ gegenüber und war so glücklich, ein paar Unschuldige gefunden zu haben, denen er sein Leben erzählen konnte.
Zum Glück fuhr der Zug gerade in Glasgow ein. Wir packten alles zusammen und der dürre Knabe bot uns an, uns zur Busstation Buchanan Station zu bringen. Es wären ein paar Meter zu gehen. Und er müsste zufällig in die gleiche Richtung. Und...
Ja ist OK. Bring uns hin!
Nach fünf Minuten waren wir da. Er war überglücklich und sein Tag war gerettet. Er verabschiedete sich mit einem breiten Grinsen.
Wir verstauten unsere Rucksäcke im Gepäckfach des Busses und jetzten uns gleich rein.
Uns war es, als wäre ein Sturm über uns hinweggezogen. Jetzt kehrte endlich wieder Ruhe ein. Die Leute im Bus unterhielten sich und lachten und wir genossen die angenehme Fahrt zu unserem Fährhafen nach Ardrossan.
Der Gesprächssturm, der im Zug nach Glasgow über uns hinweggefegt war, hat sich hier an der Südwestküste zu einem echten Sturm manifestiert. Es war gar nicht leicht, sich auf den Füßen zu halten. Aber die Luft war warm. So warm wie ein kühler Sommertag. Und es war Ende Oktober!
Die Abfahrt der Fähre verzögerte sich etwas, weil anscheinend nicht ganz klar war, ob die Fähre überhaupt sicher den Hafen verlassen kann.
Dann startete das Schiff die mächtigen Motoren und verließ unter heftigem Schwanken den Hafen. Die Überfahrt dauerte knapp eine Stunde. Es war wie in der Achterbahn.
Susanne musste schon nach ein paar Minuten die Toiletten aufsuchen und blieb dort bis zur Ankunft in Brodick.
Erleichert (im wahrsten Sinne des Wortes!) verlassen wir in Brodick das Schiff. Es ist nun fast dunkel. Die Straßenebleuchtung ging an. Alle Autos fuhren von der Fähre und wir waren ganz alleine auf dem großen Parkplatz.
Unsere Unterkunft befand sich oberhalb des Hafens auf den bewaldeten Anhöhen. Wir machten uns auf den Weg. Die Straße dorthin war leider gar nicht beleuchtet und so mussten die Stirnlampen etwas Licht ins Dunkel bringen.
Wir betraten ein großes altes Haus und die Herrin des Hauses führte uns ins Zimmer.
Kurz Duschen, dann ab ins Bett.
Morgen wartet die erste Etappe des Arran Coastal Way auf uns.
Endlich in Schottland
Nach kurzer Flugzeit und den üblichen geschäftsmäßig genuschelten Durchsagen beginnt der Landeanflug auf Edinburgh.
Das Wetter ist so, wie man es in Schottland erwartet: bewölkt und regnerisch.
Die Landung erfolgt trotz starkem Wind ungewöhnlich reibungslos. Läuft schon alles ziemlich professionell hier ab. Gekünstelte Lächeln drängen uns aus dem Flieger. Wir betreten Schottland, wir betreten eine andere Welt.
Obwohl Schottland nicht allzuweit von Deutschland entfernt ist, ist hier Alles anders.
Der Flughafen ist in Lilatönen gestrichen. Die Hallen sind hell. Die Angestellten spielen keine Höflichkeit, sie sind einfach nett und freundlich. Die Atmosphäre ist sehr entspannt. Niemand rempelt einen an. Niemand drängt. Man möchte den Flughafen nicht unbedingt schnell verlassen, er ist kein Durchgangsort. Dieser Platz lädt zum Verweilen ein.
Wir schnappen unser Gepäck und trollen uns zum Airportbus, der uns zum Bahnhof in Edinburgh bringen soll.
Die Tickets verkauft vor dem Bus ein kleiner Inder oder Pakistani.
Yes please?
Two tickets to Waverly Station please.
Two return tickets?
Yes please.
Bei der Farge nach den return ticktets durchzuckt es uns ganz leicht. Zurück kommen? Muss das sein? Wird wohl so sein müssen!
Der Doppeldeckerbus ist hell, sauber und geräumig. Alle finden für sich und ihr Gepäck Platz.
Nach knapp 30 Minuten Fahrt steigen wir am Hauptbahnhof aus. Der Dudelsackspieler an der Ecke Princess Street spielt und spielt und spielt. Unzählige Asiaten fotografieren kichernd den dickbackigen Vogel im kurzen Rock.
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Blick über Edinbourghs Princess Street. |
Anders als bei der Deutschen Bahn haben wir in all den Jahren in Schottland nie einen Anschluss verpasst. Wir erreichen den Zug, verstauen unser Gepäck in den dafür vorgesehenen Fächern am Wagenende und warten bis es los geht. Der Zug ist gut gefüllt, die meisten scheinen Berufspendler zu sein.
Die Schaffnerin kommt mit einem herzlichen "Tickets please!", streicht die Fahrkarte einmal mit Kugelschreiber durch und gibt sie uns wieder zurück, wobei sie uns noch einen angenehmen Tag wünscht.
Wir essen noch das ein oder andere Sandwich als uns plötzlich aus der Sitzreihe vor uns eine Stimme fragt:
Höre ich da nicht jemanden Deutsch reden?
Nun, wir wussten nicht, was wir damit anfangen sollten. Was soll er denn sonst gehört haben? Was soll die Frage?
Da drehte er sich auch schon lächelnd um und begrüßte uns.
Es war ein sonderbares Kerlchen. Klapprig dünn mir runder Nickelbrille im käsigen Gesicht. Auf dem runden Schädel saß eine karierte Tweedmütze, die zu seiner Jacke und zur Hose passte. Kurzum, er war die Inkarnation von Nick Knatterton!
Er fing dann auch sofort an, zu erzählen. Wer wir seien, wo wir herkämen, wo wir hinwollten und so weiter und so fort. Er kommt aus Mecklenburg-Vorpommern und schreibt an der Uni in Glasgow seine Disseratation. Vorher habe er aber in Edinbourgh studiert. Und Glasgow hätte die lebendigere Kulturszene. Und bei den schottischen Mädels liefe alles ganz traditionell ab. Wenn er mit einer ausgehen möchte, müsse er zuerst bei ihrem Papa vorsprechen. Ja und an der Uni würden sie alle sofort bemerken, dass er Deutscher ist. Bei ihm sei der Schreibtisch immer aufgeräumt. Und wenn er mal an einen Schreibtisch eines schottischen Kommilitonen gehen würde, müsste er immer erst einmal Platz schaffen und die Tastatur über dem Mülleimer rumdrehen, damit der ganze Dreck rausfällt. Und...
Susanne schaffte es nun, ihn in dem Moment zu unterbrechen, wo er das erste Mal Luft holte:
Über was schreibst du eigentlich?
Der dürre Knabe, war eine Millisekunde irritiert, fasste sich wieder und verkündete freudestrahlend:
Ich untersuche Hörschäden bei Orchestermusikern!
Hörschäden bei Ohr-chestermusikern???
Junge, Junge, das ist aber ein spezielles Thema!
Susanne hatte hier in ihrem Gesicht - natürlich nur ganz leicht - den Ausdruck größter Verachtung. Dazu kam etwas in ihren Augen, was mir zu verstehen gab, dass sie von ihm dachte, er hätte sie nicht mehr alle beisammen.
Dem Knaben selbst fiel das nicht auf.
Er dozierte nun über seine Studie, die er in diversen Orchestern durchführte. Und wie interessant das Thema sei. Und wie tragisch die Schäden für die Musiker seien. Und wie schwierig die Forschung auf dem Gebiet sei. Und...
Susanne schaute kurz zu mir rüber und deutete ein verächtliches Kopfschütteln an.
Ja und habt ihr nicht über meine Forschung in der Süddeutschen Zeitung gelesen? Über zwei große Seiten!
Das saß! Bei uns ratterten die Hirne.
Susanne konnte sich jetzt wieder erinnern:
Genau! Vor einem oder zwei Jahren im Wissenschaftsteil der Süddeutschen! In der Seitenmitte war ein Orchester abgebildet!
Der Knabe überschlug sich vor Freude:
Ja genau das. Das bin ich!
Mittlerweile ist auch mir gedämmert, was das damals in der SZ stand.
Susanne und ich saßen beim Mittagskaffee am Küchentisch und Susanne laß die SZ. Sie nahm die Zeitung, drehte sie zu mir und ich konnte die beiden Seiten des Wissenschaftsteil sehen. Voller Verachtung sagte sie zu mir:
So eine Scheiße! Wie kann irgendein vernünftiger Mensch so eine Scheiße produzieren? Schreibt über den Mist auch noch eine Doktorarbeit! Was muss das für ein Mensch sein? Bleichgesichtig sitzt der bestimmt den ganzen Tag im Elfenbeinturm und hört sich abends Mahler-Symphonien an! Ein echtes Uni-Gewächs. Unfassbar überflüssig!
Ich nahm damals die Zeitung, während Susanne vor lauter Frust in den Kuchen biss.
In der Tat. Ich konnte keine 30 Sätze lesen von dem Artikel. So etwas Langweiliges und Überflüssiges habe ich noch nie gesehen.
Ich schüttelte den Kopf und gab ihr die Zeitung zurück.
Sie wollte sie gar nicht mehr haben und sagte nur: Werf den Mist gleich weg!
Genau so war es damals. Nun ja, jetzt saß uns der Typ gegenüber und war so glücklich, ein paar Unschuldige gefunden zu haben, denen er sein Leben erzählen konnte.
Zum Glück fuhr der Zug gerade in Glasgow ein. Wir packten alles zusammen und der dürre Knabe bot uns an, uns zur Busstation Buchanan Station zu bringen. Es wären ein paar Meter zu gehen. Und er müsste zufällig in die gleiche Richtung. Und...
Ja ist OK. Bring uns hin!
Nach fünf Minuten waren wir da. Er war überglücklich und sein Tag war gerettet. Er verabschiedete sich mit einem breiten Grinsen.
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Blick über Glasgow. |
Wir verstauten unsere Rucksäcke im Gepäckfach des Busses und jetzten uns gleich rein.
Uns war es, als wäre ein Sturm über uns hinweggezogen. Jetzt kehrte endlich wieder Ruhe ein. Die Leute im Bus unterhielten sich und lachten und wir genossen die angenehme Fahrt zu unserem Fährhafen nach Ardrossan.
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Glasgow kann auch furchtbar hässlich sein. |
Der Gesprächssturm, der im Zug nach Glasgow über uns hinweggefegt war, hat sich hier an der Südwestküste zu einem echten Sturm manifestiert. Es war gar nicht leicht, sich auf den Füßen zu halten. Aber die Luft war warm. So warm wie ein kühler Sommertag. Und es war Ende Oktober!
Die Abfahrt der Fähre verzögerte sich etwas, weil anscheinend nicht ganz klar war, ob die Fähre überhaupt sicher den Hafen verlassen kann.
Dann startete das Schiff die mächtigen Motoren und verließ unter heftigem Schwanken den Hafen. Die Überfahrt dauerte knapp eine Stunde. Es war wie in der Achterbahn.
Susanne musste schon nach ein paar Minuten die Toiletten aufsuchen und blieb dort bis zur Ankunft in Brodick.
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Brodick von Norden aus. |
Erleichert (im wahrsten Sinne des Wortes!) verlassen wir in Brodick das Schiff. Es ist nun fast dunkel. Die Straßenebleuchtung ging an. Alle Autos fuhren von der Fähre und wir waren ganz alleine auf dem großen Parkplatz.
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Der Hafen von Brodick mit Blick nach Norden. |
Unsere Unterkunft befand sich oberhalb des Hafens auf den bewaldeten Anhöhen. Wir machten uns auf den Weg. Die Straße dorthin war leider gar nicht beleuchtet und so mussten die Stirnlampen etwas Licht ins Dunkel bringen.
Wir betraten ein großes altes Haus und die Herrin des Hauses führte uns ins Zimmer.
Kurz Duschen, dann ab ins Bett.
Morgen wartet die erste Etappe des Arran Coastal Way auf uns.
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