Freitag, 12. Februar 2016

Light isn't always bright (1): Vom Sinn und Unsinn eines Ultraleichtrucksacks



Alle Ultraleichten sagen Euch,

 dass das Gewicht des Rucksacks so gering wie möglich sein soll. Es gibt UL-Rucksäcke ab 250 Gramm zu kaufen. Ab 700 Gramm handelt es sich bereits um ein Schwergewicht.
 

Im Prinzip handelt es sich bei ultraleichten Rucksäcken um einen dünnen Nylonsack mit zwei Trageriemen. Das gesamte Gewicht wird auf den Schultern getragen. Als Zubehör werden Hüftgurte, halbe Isomatten als Rückenpolster und Aluminiumgestänge zur Stabilisierung verkauft.

Diese UL-Rucksäcke können laut Hersteller bis zu 15 Kilogramm  tragen bei einem Packvolumen bis teilweise 70 Liter (Hier einige Beispiele: Gossamer Gear, ÜLA, oder Zpacks).

Bis zu 15 Kilogramm nur auf den Schultern tragen? Das macht keinen Spaß! 



Ein vollkommen überforderter UL-Rucksack mit 60 Liter Packvolumen auf einer dreiwöchigen Tour. Das Baseweight lag bei unter 5 Kg, aber die Nahrungsmittel fielen ins Gewicht. Der Rucksack mit knapp 12 Kg hängt wegen dem Gewicht zu tief  auf dem Hintern.


Weil das alles keinen Spaß macht, verkaufen die Hersteller das oben beschriebene Zubehör.
Der "Tragekomfort" lässt sich dadurch geringfügig steigern.

Welchen Nutzen hat das Zubehör? 

Starten wir mit dem Hüftgurt. Dieser wird in der Regel auf der Rückseite des Rucksacks durch eine Halterung geschoben. Hüftgurt und Rucksack sind nur lose verbunden. Der Hüftgurt kann daher kaum Last auf die Hüfte verlagern. Das Hauptgewicht tragen immer noch die Schultern. 

Ein nicht fest am Rucksack befestigter Hüftgurt ist absolut überflüssig und nur Geldmacherei! Wenn sich der UL-Rucksack ohne den Hüftgurt nicht tragen lässt, dann lässt er sich auch nicht mit dem optionalen Hüftgurt tragen!

Die Aluminiumstrebe, die in den Rucksack eingesetzt wird, soll den Rucksack stabilisieren. Dies funktioniert sogar zu einem geringen Grad.

Da ein Rucksack ohne Rückenplatte sehr unangenehm zu tragen sein kann (eigentlich muss er immer optimal gepackt sein), weil Gegenstände aus dem Rucksack in den Rücken drücken, kann die halbe Isomatte, auf der nachts geschlafen wird, als Rückendämpfungsersatz verwendet werden.  

Der Polsterungseffekt ist relativ gut. Problematisch ist bei der Verwendung einer aufblasbaren Isomatte der große Abstand zwischen Rücken und Gepäck. Der kann schon mal bis zu 5 Zentimeter sein. Je weiter das Gepäck aber vom Rücken weg ist, desto schwerer lässt sich der Rucksack tragen.

Zusammendfassend kann man sagen, dass der Tragekomfort mit dem ganzen Zubehör nicht besser wird, weil alles nur lose verbunden ist. Nur eine feste Einheit aus Rückendämpfung, Schultergurt, Hüftgurt und Rahmen ermöglichen einen guten Tragekomfort. Während dem Wandern muss ein UL-Rucksackk mit voller Ladung ständig nachjustiert werden. Er rutscht immer auf den Schultern herum.

Ein UL-Rucksack kann nach unserer Erfahrung nur bis zu einem Gewicht von 5-7 Kilogramm vernünftig getragen werden. Und dieses Gewicht schafft jeder billige Kaufhausrucksack auch. Die Herstellerangaben von 10-15 Kilogramm Tragfähigkeit sind maßlos übertrieben. Wenn diese Zahl überhaupt irgend etwas darstellt, dann ist es das Gewicht, bei dem der Rucksack gerade noch nicht auseinanderreisst! Dafür muss man keine 100-300 Euronen hinlegen.

Und jetzt noch mal zum besseren Verständnis: Warum kauft man einen UL-Rucksack?

Tja, gute Frage! 

Das UL-Dogma besagt, dass Wandern nur mit wenig Gewicht Spaß macht. Recht haben sie!

Und beim Rucksack kann man natürlich kräftig sparen. Seht Euch mal im Globetrotter um: Da wiegt der 70 Liter Trekkingrucksack gerne mal knapp 3 Kilogramm! 3 Kilogramm nur für den leeren Rucksack! Wenn man dann 70 Liter Volumen für nur 500 Gramm kaufen kann, schlägt man doch zu, oder?

Die Hersteller ultraleichter Rucksäcke wissen natürlich, dass die Fans und Nerds das niedrigtse Gewicht überhaupt kaufen wollen. Bei 100 Gramm mehr wird ein Ladenhüter produziert.  

In der UL-Bewegung scheint es einen Kampf um das niedrigste  Baseweight (Baseweight ist das gesamte Gepäck im Rucksack minus Essen und Getränke) zu geben. Jeder trägt die Gewichte der einzelnen Ausrüstungsgegenstände in eine  Exceltabelle ein und gibt damit an. Vereinfacht gesagt: wer ein Mini-Baseweight vorweisen kann, ist der UL-Gott

Ein Baseweight von sagen wir mal 5 Kilogramm kann dann auch problemlos im UL-Rucksack getragen werden. Wo liegt also das Problem, wird die UL-Gemeinde einwenden?

Das Problem liegt darin, dass man sich alles schön (leicht) rechnet. Denn was wirklich zählt, ist nicht das Baseweight sondern das Gesamtgewicht!

Im Gesamtgewicht sind dann auch Nahrungsmittel und Getränke enthalten. Damit kommt man aber in der Regel über die 5 Kilogramm weit hinaus. Man nähert sich dann schon eher der 10 Kilogramm - Grenze an. Und die tragen sich nun wirklich unbequem nur auf den Schultern. 

Hier muss der Wanderer auch mal sein Hirn verwenden. 

Bevor man hunderte Euro für einen UL-Rucksack ausgibt, muss er sich darüber - ganz ehrlich - darüber im Klaren sein, wie viel Gepäck er tatsächlich im Gesamten mit sich herumträgt.

Wir wetten, dass nach eingehender und ehrlicher Prüfung der UL-Rucksack für die Meisten ausscheidet!

Wie immer wogen die Nahrungsmittel und das Wasser mehr als unser Baseweight. Die Folge: Der Rucksack rutschte bei 14 Kg Gesamtgepäck ständig hin und her, obwohl er laut Hersteller sogar bis 15 Kg problemlos tragen können soll. Ausserdem sitzt er wieder zu tief: Die Schultergurte können das Gewicht nicht auf der Hüfte halten. Der Rucksack verfügt über ein Aluminiumgestänge, einen optionalen Hüftgurt und eine eingeschobene Isomatte auf der Rückenseite.

Wenn Ihr jetzt denkt, wir wären irregeleitete UL-Ungläubige, die mit ihrem Ketzertum gegen die UL-Dogmen verstossen, dann schaut Euch mal Ray Jardine, den Erfinder der UL-Rucksäcke an. In seinem 2011 erschienenen The Ray-Way Tarp Book- Essential hat er auf Seite 262 ein Foto von sich abgedruckt. 

Da wandert der Meister, den Rucksack lässig auf einer Schulter, durch den Wald. Der Rucksack platzt schon aus allen Nähten. Das sieht schon mal nicht nach Tragekomfort aus. In der Hand trägt er eine Einkaufstüte mit Nahrungsmitteln. In der Bildunterschrift verrät er, dass es selten vorkomme, dass er sein Essen in der Hand tragen muss. Aber nach ein paar Pausen sei ja wieder Platz im Rucksack... 

Na dann ist ja alles gut!

Light isn't always bright!










2 Kommentare:

  1. Hallo Susanne und Matthias :-)

    Natürlich seid Ihr UL-Ketzer und brennen sollt ihr lichterlo :-)

    Jedenfalls war das mein erster Impuls, weil ich selber viele leichte/ultraleichte
    Rucksäcke benutzt habe und es noch tue und damit selbst bei höheren Gewichten
    keine Probleme habe.

    Das liegt natürlich nicht an meiner adonis-gleichen Physis (darauf hätte ich es
    so gerne geschoben), sondern an dem Umstand (da musste ich kurz nachschauen),
    dass tatsächlich alle von mir verwendeten Rucksäcke einen fest angenähten
    Hüftgurt haben.

    Golite Jams aus verschiedenen Jahren
    Nigor Zero G
    Granite Gear Virga 2
    Gossamer Gear Gorilla (funktioniert allerdings trotz eingehängten Hüftgurt

    Mit welchen Rucksäcken hattest Du denn Probleme? Sind das MLDs gewesen?

    Und was aus meiner Sicht für den Leser jetzt noch voll interessant wäre ist
    eine konstruktive Problemlösung.

    In deinem Post ist ne ganze Menge Diskussionsstoff.

    Spannend ist ja auch, dass Du so wetterst obwohl Du selber zu diesen
    Gewichtsfreaks zählst, oder?

    Und Du liest auch genau die Webseiten, die so Jungs lesen.

    Das ist von daher für mich im Gesamten irgendwie nicht stimmig.

    Aber dann bin ich ja auch nur wieder so ein gebrainwashter UL-Fanatiker :-)

    -> HHA ist übrigens nen echt guter Name.

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    1. Hallo Carsten,

      Glückwunsch! Du bist der erste Kommentator auf unserem Blog. Und schön hast Du geschrieben!

      Und Recht müssen wir Dir auch geben, denn die konstruktive Problemlösung fehlt in der Tat.
      Die wollten wir aber erst mal nicht bringen, da wir hofften, so erst einmal eine Diskussion zu starten.

      Susanne trägt den GG Gorilla (ab und zu den Murmur), auf den Bildern im Post siehst Du meinen Six Moon Designs Starflight (An den Namen kann ich mich nicht mehr genau erinnern). Der Rucksack ist im Prinzip baugleich mit dem GG Gorilla (auch mit austauschbarem Hüftgurt und Gestänge).

      An dem Teil hat mich von Anfang an gestört, dass sich der Rucksack ständig auf dem Rücken hin und her bewegt. Optimal war das alles nicht. Susanne hat mit ihrem GG die gleichen Probleme. Vielleicht sind wir hier etwas penibel.Trotzdem sind wir jahrelang so gewandert, weil es eben leicht sein soll.

      Für mich kam die Erlösung aus dem Purgatorium der UL-Rucksäcke mit dem HMG Windrider. Das Pack kann man sicher nicht mehr zu den UL-Rucksäcken zählen, da es doppelt so viel wiegt wie mein Six Moon Designs oder der GG, also knapp über 1000 Gramm. Aber der Tragekomfort ist aus einer anderen Welt! Der Wechsel zum HMG war übrigens der Anlass für den Post.

      Meine Erfahrung war eben, dass man beim Rucksack nicht nur auf das Gewicht achten darf, sondern vor allem auf den Tragekomfort. Das macht eine längere Tour auf jeden Fall entspannter! Der HMG ist zwar nicht mehr UL, aber immmer noch Tonnen leichter als jeder Expeditionsrucksack.

      Den Test zum HMG werde ich in Kürze mal posten.Susanne wird sich demnächst auch den HMG bestellen.

      Wir sehen uns auf jeden Fall als Leichtgewichtswanderer. Irre schwere Rucksäcke schleppen macht ja keinen Spaß. Manchmal erscheint es uns nur so, dass das geringe Gewicht das alleinige Kriterium und die allein glücklich machende Formel ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das (zumindest für uns) nicht immer so ist.

      Und nun, Du gebrainwashter UL-Fanatiker, knie nieder und tue Buße! ;-)

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